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Freitag, 14 Mai 2021 09:30

Florence Nightingale & die Rolle der Frau in Bezug zur aktuellen Lage von ME/CFS

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Florence Nightingale wurde  am 12.5.1820 in Florenz geboren. Sie war britische Krankenschwester, eine hervorragende Statistikerin, die Begründerin moderner Krankenpflege und gilt als große Reformerin im Bereich Gesundheit und Medizin.

Sie widersetzte sich dem damaligen Frauenbild und dem Dünkel ihres Standes und ging unbeirrt ihren Weg, ihren Herzenswunsch Krankenschwester zu werden, zu verwirklichen. Sie wollte diesem Berufsbild Ansehen verschaffen und Anerkennung.

Sie war ein freier Geist und prangerte die Miss- und Rückstände ihrer Zeit offen und unverblümt an. Das brachte ihr viel Kritik, doch die Patienten liebten sie. Wichtig war ihr auch eine neue Zusammenarbeit mit den Ärzten. Sie plädierte für Achtung und einen respektvollen, zwischenmenschlichen Umgang untereinander und mit den Patienten.

Sie etablierte die erste Schule für Krankenschwestern, engagierte sich für angemessene Bildung, die Anerkennung bei der Ärzteschaft, in der Politik und Gesellschaft, denn Krankenschwestern zählten zur damaligen Zeit zur niederen Klasse, in etwa den Huren gleichgesetzt.

Sie war resolut genug, um sich auch den kirchlichen Dogmen dieser Zeit zu widersetzen, bzw. sie geschickt zu umgehen. Nächstenliebe und viel Arbeit für wenig Geld, die aufopfernde Rolle der Frau waren für sie nicht Ziel ihres Bestrebens. Sie wollte Anerkennung. Gleichstellung und Respekt durch Bildung und Leistung.

Sie verstand sich nicht als Teil der Emanzipationsbewegung und würde sicherlich auch nicht in den modernen Feminismus passen. Denn ihr Ansinnen war es eher, dass die Frau ein wertschätzendes, modernes Leben führen konnte, würde sie nur ihre Möglichkeiten und ihr Potential intelligent und geradlinig nutzen, umsetzen und leben. Sie hielt nichts davon, dass Frauen den Männern gleich werden sollten, sondern sie sollten sie selbst sein und bleiben.

Im Krimkrieg erkrankte sie selbst schwer und erholte sich fortan nie mehr ganz. Sie war seit dieser Zeit überwiegend Haus gebunden und bettlägerig. Aus Sicht der Medizinhistorie dürfte es sich hierbei um ME/CFS gehandelt haben. Doch sie zeigte, dass sie aus dem Hintergrund heraus, ihrer Berufung treu blieb. Ihr Wille und ihre Leidenschaft für die Sache, für die sie ging, waren ungebrochen. So empfing sie namhafte Besucher, so wie es ihr Gesundheitszustand zuließ, strukturierte und organisierte im Bereich Krankenpflegeschule, schrieb mehrere Bücher und unzählige Briefe an einflussreiche Personen und Unterstützer ihrer Zeit.

Sie wollte Reform und eine Neuordnung im Bereich Medizin, Hygiene, dem Verständnis vom Menschen, Krankheit und Gesundheit und sie wollte eine Menschenwürdige Pflege in enger Zusammenarbeit mit den Ärzten. Auf Augenhöhe und jede Berufssparte klar definiert.

Als ich als junges Mädchen zum ersten Mal von ihr hörte, war ich sehr angetan von ihrer Persönlichkeit. Sie bestärkte mich damals und war sozusagen das Tüpfelchen auf dem berühmten I, meinen Berufswunsch Krankenschwester zu werden, in die Tat umzusetzen. Ich widersetzte mich so dem Wunsch der Lehrer und Eltern, Medizin zu studieren, denn mich zog es in den Pflegeberuf. Viele Jahre später konnte ich meinen geliebten Beruf gesundheitlich bedingt nicht mehr ausführen. An Florence dachte ich zu dieser Zeit nicht mehr. Es war 1997.

Als mir dann, wieder lange Zeit später klar wurde, dass es sich um Myaligsche Enzephalomyelitis handelte, las ich zum ersten Mal wieder etwas von ihr, weitere 20 Jahre später. Es hat mich tief berührt, von ihr wieder zu hören, dieses Mal jedoch aus einem traurigen Anlass heraus; ME /CFS. Doch genau so wie sie mich als junges Mädchen begeistern und zu diesem wunderschönen Beruf inspirieren konnte, so konnte sie mich auch jetzt in dieser Phase meines Lebens anspornen, nicht aufzugeben. Zwar mit stark veränderten Umständen und Bedingungen durch die massiven Einschränkungen, die ME mit sich brachten, jedoch immer wieder mit frischem Mut, dran zu bleiben an meinen Träumen und meiner Berufung.

Ich bin dankbar, dennoch, durch die Arbeit hier im Portal und auch in meiner Praxis, die ich meiner Gesundheit anpasste und umstrukturiert hatte, einen kreativen Weg gefunden zu haben, weiterhin aktiv mitzuwirken im Bereich Gesundheitsreform, Aufklärung und Anerkennung dieser erschreckenden, missverstandenen Erkrankung.

Hier lohnt es sich und ist dringend Not wendig, dass sich Menschen aktiv zusammenschließen, um die massiven Missstände, die sich in der Behandlung zeigen, aufzudecken und in eine offene Diskussion und Veränderung darüber zu kommen und gemeinsam einen neuen Boden im Umgang der Menschen mit ME /CFS zu bereiten.

Sowohl von Seiten der Mediziner und Forscher, als auch von Seiten der Politik und generell der Gesellschaft.

ME /CFS muss aus dem Schatten heraus treten dürfen. Aus den offensichtlichen Missverständnissen, Misshandlungen und den Fehleinschätzungen, hin zu einem neuen Bewusstsein und modernen, respektvollen  und funktionierenden Strukturen in der Versorgung körperlich schwer erkrankter Menschen.

Wir leben offiziell im Jahr 2021 mitten im modernen, reichen Deutschland. Mitten in Europa. Betrachtet man die Lage der an ME/CFS Erkrankten findet man sich gefühlt zurück katapultiert in ein finsteres Mittelalter.

Dr. Ola Didrik Saugstad, Norwegen, Führender Forscher und WHO Berater äußerte sich hierzu in folgenden Zitat:

„Die Behandlung heutiger ME /CFS Patienten ist mit der von Lobotomie Patienten vor Jahrzehnten vergleichbar. Wenn eines Tages die vollständige Geschichte geschrieben ist, werden wir uns alle schämen.“

Ich von meiner Seite kann nur sagen, dass das auch meine persönliche Überzeugung ist. ME/CFS ist ein weiteres, dunkles Kapitel der Medizingeschichte, derlei es viele gab. Doch ich kann den Tag in meinem Herzen fühlen, wo es seine Erfolgsgeschichte schreiben und seinen Durchbruch erleben wird.

Florence Nightingale begleitete mich auf sehr berührende und geheimnisvolle Weise auf der Reise meines Lebens seit gut 40 Jahren. Ich bin dankbar, von ihr inspiriert worden zu sein, bis jetzt, mitten in ME/CFS immer noch, so wie es meine Gesundheit zulässt, für die Themen zu gehen, die mir am Herzen liegen. So wie wir es hier im ME /CFS Portal tagtäglich mit vereinten Kräften umsetzen.

Florence Nightingale entschlief friedlich im Schlaf im Alter von 90 Jahren am 13.10.1910.

 

Bild: Carmen Katharina Stern

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Carmen Katharina Stern

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