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Montag, 30 Mai 2022 11:00

Mein Hobby und ME/CFS - Deborah

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Das Wochenende steht an. Wintertreffen. Es heißt mal wieder die neuesten Equipments der Outdoorausstatter bei herrlichen Winterbedingungen testen. Einmal herrschten 20°C minus und über Nacht bedeckte der Frost im Zelt alles mit einer dicken weißen Schicht. Brrrr. Habe ich alles eingepackt? Wollsocken und lange Unterwäsche? Ist der Schlafsack dick genug? Irgendetwas fehlt bestimmt wieder. Egal – spontan ist immer gut! Das war einmal ….

 …. Heute liege ich mit einem warmen Dinkelkissen unter einer Decke gekuschelt auf der Couch und versuche, mich so wenig wie möglich zu bewegen. Klingt traumhaft. Nur leider stehe ich später nicht gut erholt wieder auf. Und das seit inzwischen 6 Jahren. Nicht einen einzigen Tag fühlte ich mich erholt.

Früher war ich ein sehr aktiver Mensch. Jeden Tag ging ich mit meinen Hunden nach der Arbeit eine große Runde im Wald spazieren. Die Wochenenden verbrachte ich meistens in der freien Natur, als Bett diente die Isomatte und der Schlafsack irgendwo in einer Wanderhütte, unter einem Felsvorsprung oder unter freiem Himmel. Das Leben fand vor der Haustür statt.

Plötzlich erschöpften mich schon kleine Spaziergänge mit dem Hund, Ausflüge waren nicht mehr möglich und irgendwann verließ ich das Haus nur noch im Krankenwagen auf dem Weg ins nächste Krankenhaus.

Mein neuer Wirkungskreis war nun die Couch und alles, was sich in Reichweite befand. Wenn ich nicht zu erschöpft war, kam der Wunsch nach sinnvoller Beschäftigung auf. Schon als Kind strickte ich gerne. Also strickte ich Söckchen nach Anleitung für meine kleine Tochter. Doch die gefundenen Strickmuster fand ich altbacken. Ich dachte mir immer wieder neue Strickmuster für Pullover, Strickjacken, Röckchen und Hosen aus. Einzigartige Teile aus feinster Merino- und Alpakawolle. Eine neue Leidenschaft war entdeckt. Das ging im Liegen und im Sitzen, lies die Konzentration nach und ich machte Fehler, ribbelte ich das Strickstück eben wieder auf. Mein Hund lag fortan treu zu meinen Füßen. Pläne für die Zukunft wurden geschmiedet. Mit meinem neuen Hobby wollte ich mich selbstständig machen. Doch so weit kam es nicht. Nach ein paar Monaten stoppte mich ME/CFS erneut.

Ich entwickelte immer mehr Allergien. Plötzlich war ich auf sämtlich Dinge allergisch. Unter anderem auf meinen Hund und Wolle aus Tierhaaren.

Da ich Spaß an der Herstellung von Kindermode hatte, legte ich mir also eine Nähmaschine zu. Nähen war für mich anstrengender. Ich konnte nicht so lange sitzen und musste mich stärker konzentrieren. Fehler waren nicht so einfach auszugleichen. Trotzdem machte es mich glücklich und so oft wie möglich surrte meine Maschine. Leider reagierte ich auch bald auf die gekauften Stoffe allergisch. Vermutlich auf die frischen Farbstoffe oder ein Schutzmittel. Mein Hund lag mittlerweile im Wintergarten. Ich konnte mich nicht mehr zusammen mit ihm in geschlossenen Räumen aufhalten.

Auf der Suche nach Alternativen probierte ich Sticken, Aquarellmalerei, Linolschnitt und vieles mehr. Erfüllung fand ich bisher nicht. Eine große Lücke ist geblieben, die wahrscheinlich nicht geschlossen werden kann.

Mittlerweile bin ich körperlich wieder belastbarer. Ich kann öfter kleine Spaziergänge mit dem Hund machen. Im Winter schnalle ich mir sogar manchmal die Langläufer an und drehe kleine Runden im Wald. Wenn der Wind mir kalt ins Gesicht weht und es im Bauch vor Freude kribbelt, dann fühle ich mich ein bisschen wie früher. Diesen Winter hat es leider nicht geklappt.

Im Herzen werde ich wohl immer ein naturverbundener Mensch bleiben, der seine Zeit unter freiem Himmel verbringt. Es ist ein schwacher Trost, ein Bild zu sticken und eine Naturdokumentation zu schauen, während Mann, Kind und Hund einen Ausflug in die Natur machen.

Gelesen 838 mal Letzte Änderung am Montag, 30 Mai 2022 11:49
Deborah Kardaetz
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