Ausblick auf einige Studien, die derzeit laufen und welche bald wichtige Antworten liefern sollten – und aus deren Erkenntnisse evtl. auch bald Medikamente verfügbar sein könnten

Zusammengefasst von Franz Strasser

Professor C. Scheibenbogen hat ja zuletzt auch beim “Insta-Talk“ der Apotheken-Umschau angedeutet, dass es für uns schon bald einige hoffnungsvolle Medikamente am Markt geben könnte, die derzeit bei anderen Krankheiten schon erfolgreich angewendet werden – sofern sich diese in laufenden Studien (unser ME/CFS betreffend) vorher auch noch bewähren sollten.


Da jetzt das zwei Jahre lang so dominante “Corona-Thema“ schön langsam an Brisanz zu verlieren scheint, können auch die Anliegen und Forschungsbemühungen in Sache ME/CFS zusehends wieder mehr in den Fokus der Bemühungen rücken.


Zu einigen dieser Studien erschien zu Beginn dieser Woche ein interessanter Artikel auf „healthrising.org“. In dieser Veröffentlichung geht es nicht nur um ME/CFS - sondern auch um Fibromyalgie.

Hier der Link zum engl. Originalbeitrag:https://www.healthrising.org/blog/2022/02/06/2022-fibromyalgia-chronic-fatigue-syndrome-clinical-trials/

 

 

Die ME/CFS-Themen daraus - im Konkreten (sinngemäß wiedergegeben):

  1. Möglicher Wendepunkt bei “MESTINON“ (Pyridostigminbromid)
  2. Orale “Rehydratation“/Salzlösung
  3. “Solriamfetol“ (Narkolepsie-Medikament)
  4. “Etanercept“/“Mifepriston“ (Moonshot-Studie)
  5. Magnetstimulation (repetativ transkraniell)
  6. “Suramin-Studie“
  7.  “Inspiratorisches Muskeltraining


  1. Möglicher Wendepunkt bei “MESTINON“ (Pyridostigminbromid)

Was ist “MESTINON“ grundsätzlich?

Der Wirkstoff von “Mestinon“ gehört zur Familie der „Cholinesterasehemmer“. Diese Wirkstoffe hemmen den Abbau von Acetylcholin, einem natürlichen Überträgerstoff von Nervenimpulsen auf die Muskulatur. Dadurch wird die Wirkung von Acetylcholin verstärkt, was eine Aktivierung der Muskulatur bestimmter innerer Organe, wie des Darms, sowie eine Leistungsverbesserung im Falle von krankhafter Muskelschwäche bewirkt.

Bei dieser Studie zu MESTINON handelt es sich um eine placebokontrollierte Doppelblindstudie mit 50 Teilnehmern. Die Idee hinter MESTINON ist die, dass die Verabreichung bei einer Untergruppe von ME/CFS-Patienten zu einer Verengung der Venen führen könnte, wodurch das Blut wieder besser zum Herzen rückgeführt wird - und folglich dann auch eine bessere Versorgung des Gehirns und der Muskulatur erreicht werden kann -> Durchblutungsfördernd!

Im Rahmen dieser Studie wird zusätzlich noch untersucht…
- Laktatwerte
- Sauerstoffaufnahme der Muskulatur
- Herzleistung und Herzfrequenz
- Kohlendioxidproduktion
+ 7 weitere kardiovaskuläre Faktoren

Des Weiteren soll herausgefunden werden, welche Patientengruppe aus den ME/CFS Patienten genau von MESTINON profitieren könnte. Obwohl die Studie leider nicht groß genug angelegt wurde, um eine allgemeine Zulassung erreichen zu können, so sollten positive Studienergebnisse dennoch Ärzte motivieren, dieses „alte“ Medikament bei ihre ME/CFS-Patienten auszuprobieren.

 

  1. Orale “REHYDRATION“/Salzlösung

Eine kürzlich erfolgte Studie zur oralen Rehydration ergab, dass handelsübliche orale (also durch den Mund zugeführte) Rehydrationssalze bei ME/CFS und POTS genauso wirksam waren wie Kochsalzinfusionen.

Vorteil dabei: Die orale Rehydrationstherapie ist so einfach, dass sie zu Hause von fast jedem problemlos auch selbstständig durchgeführt werden kann.

 

  1. “SOLRIAMFETOL“ (Narkolepsie-Medikament)

Bei einigen ME/CFS-Patienten wird eine recht ähnliche Schlaf-Wach-Instabilität beobachtet, die der Narkolepsie sehr ähnlich zu sein scheint. Bei diesen wurde beobachtet, dass sie recht gut auf “Solriamfetol“ ansprachen – ein Medikament, welches die Verfügbarkeit von Dopamin (aber nicht von Serotonin) im Gehirn erhöht.

Wie wir wissen, ist ja auch die positive Wirkung von “LDA“ (lowdose-Abilify – mit dem Wirkstoff “Aripiprazol“) in hohem Maße einer Anhebung des Dopaminspiegels zuzuschreiben.

Möglicherweise wäre somit Solriamfetol also bald schon eine mögliche Alternative für jene Patienten, bei denen LDA keine Wirkung gezeigt hat, die aber gleichzeitig einen recht niedrigen Dopaminspiegel aufweisen.

 

  1. “ETANERCEPT“/“MIFEPRISTON“ (Moonshot-Studie)

Was sind “ETANERCEPT“ und “MIFEPRISTON“ grundsätzlich?

“ETANERCEPT“ ist ein Wirkstoff aus der Klasse der “Biosimilars“ und bindet als dimeres Fusionsprotein den Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-a). Als Arzneimittel wird Etanercept zur
Eindämmung von Entzündungsreaktionen bei rheumatischen Erkrankungen eingesetzt.

“MIFEPRISTON“ findet in der Behandlung des Cushing-Syndroms (körperliche Veränderung, die sich aufgrund einer erhöhten Kortisolkonzentration ergibt) Anwendung und wirkt dabei als Glucocorticoid-Rezeptorantagonist. Die Blockade des Rezeptors unterdrückt die Anbindung des natürlichen Liganden Cortisol und infolgedessen auch seine Wirkung.

Die von Nancy Klimas als "Moonshot-Studie" bezeichnete Studie versucht, ein Teilsystem von ME/CFS-Patienten generell wieder zu normalisieren. Diese Etanercept/Mifepriston-Studie basierte auf einer umfangreichen Computermodellierung, die dann an einem Mausmodell der Golfkriegskrankheit (GWI) validiert wurde.

Diese Studie ist besonders interessant, da Dr. Klimas' Forschungen darauf hindeuten, dass GWI und ME/CFS zwar völlig unterschiedliche Krankheiten sind - ihre Modellierungsarbeit aber legt nahe, dass die Medikamentenkombination “Etanercept + Mifepriston“ bei beiden Krankheiten das HPA-System wieder ins Lot bringen kann/könnte.

Diese Studie ist vollständig (privat) finanziert und stand kurz vor dem Start, als die Pandemie ausbrach. Dr. Klimas berichtete im letzten Frühjahr, dass die Studie "wieder im Flow" sei. Da es sich aber um eine kleine Studie handelte, scheint ein Abschluss schon im Jahr 2022 wahrscheinlich.

 

  1. Magnetstimulation (repetativ-transkraniell (=wiederholend-durch den Schädel))

Bei dieser kleinen, aber sehr innovativen Studie soll getestet werden, wie es sich auswirkt, wenn 2 Teile des Gehirns (limbisches System/präfrontaler Kortex) gleichzeitig stimuliert
werden.

Diese Studie wird von “SOLVE-ME“ finanziert und sie sollte auch relativ rasch einen Aussageüber den möglichen Nutzen einer solchen Therapie liefern.

 

  1. “Suramin-Studie“

Diese wurde finanziert, da sich Ron Davis daraus einige wichtige Antworten auf offene Fragen zu seiner “nanoneeedle-theorie“ erwartet.

Sowohl das bekannte MS-Medikament “COPAXONE“ als auch “SURAMIN“ (ein sogenanntes Antiprotozoikum welches gegen die Schlafkrankheit eingesetzt wird) konnten bewirken, dass sich ME/CFS-Zellen in nanoneedle-Test wieder annähernd normal zeigten.

 

  1. “Inspiratorisches Muskeltraining“

Dabei handelt es sich um eine kleine (von “SOLVE-ME“ finanzierte) Studie, die Antworten liefern soll über Auffälligkeiten, die bei vielen ME/CFS-Patienten im Bereich der Lungenfunktion zu beobachten sind.

 

Wichtiger Zusatz:

Sämtliche Infos aus diesem Artikel verstehen sich ohne jegliche Gewähr, da der Schreiber über keinerlei medizinische Ausbildung verfügt – er selbst nur langjähriger ME/CFS-Patient ist. Sämtliche Medikationen müssen natürlich immer im Vorfeld mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden - bzw. durch diesen veranlasst sein!