“ME/CFS ist eine sehr schwere eigenständige Erkrankung mit vielen Symptomen. Die Patienten haben meist starke Schmerzen und schon geringe Anstrengungen können dazu führen, daß es ihnen danach tagelang noch viel schlechter geht.”

(Prof. Dr. med. Carmen Scheibenbogen, Leiterin der Immundefekt-Ambulanz der Charitè Berlin)

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1. Hauptsymptome sind schwere Erschöpfung und Verschlechterung nach Anstrengung

Auf Anstrengung jedweder Art reagiert der Körper, manchmal auch verzögert, mit deutlicher Verschlechterung der Beschwerden. Daher ist z.B. eine Bewegungstherapie, im Gegensatz zu anderen Erkrankungen, sehr schädlich. Weitere Symptome sind gestörte Schlafqualität, Probleme mit Verdauungssystem, Atmungssystem, Probleme mit Herz-Kreislauf-System, uvm. Daher wird es als Multisystemerkrankung bezeichnet.

 

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2. Es gibt in Deutschland ca. 400.000 Erkrankte

0,5% der Bevölkerung - das wären für Deutschland ca. 400.000 und für die EU etwas über 2 Mio. Durch Long-COVID wird die Zahl für Deutschland vermutlich bei 500.000 stehen.

 

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3. Die Krankheit tritt unterschiedlich schwer auf

Von allgemeinem, schwerem Krankheitsgefühl, bis hin zu tödlichem Organversagen, ist jede Form möglich. Um eine grobe Kategorisierung der Schwere zu ermöglichen, wird meist die sogenannte Bell-Skala herangezogen. Oft wird auch zwischen "mild", "moderat", "schwer" und "schwerst betroffen" unterschieden. 

 

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4. ME/CFS ist (noch) nicht heilbar

Es sind weder Medikamente noch Therapien bekannt, die eine vollständige Genesung ermöglichen. Auch wenn wenige einzelne Fälle bekannt sind, in denen sich der Zustand von Erkrankten stark verbessert hat. Die wichtigste Hilfe um nicht in einen sogenannten CRASH (Zustand extremster Erschöpfung über längere Zeit) zu fallen, ist das PACING. Dabei achtet man sorgsam auf die Einhaltung der zur Verfügung stehenden Energiereserven.

 

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5. Die Ursache ist unbekannt

Bisher gab es wenig Erkenntnisse in der Erforschung. Viele Krankheitsfälle beginnen aufgrund eines viralen/bakteriellen Infektes (Covid19, Pfeiffersches Drüsenfieber, EBV, HHV6, Staphylokokken, u.a.). Ob diese Erreger allerdings der tatsächliche Auslöser oder die Ursache der Erkrankung sind, ist bis dato nicht bekannt. 

 

 

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6. Es gibt keine bekannten Biomarker zur Diagnose

Nach wie vor ist kein spezieller Erreger oder eine spezielle Ursache bekannt, auch kann man nicht anhand von üblichen klinischen Tests die Erkrankung nachweisen. ME/CFS wird durch die sog. kanadischen Konsenskriterien diagnostiziert. Nach dem Ausschluss von anderen, ME/CFS-ähnlichen Krankheiten, wie MS, HIV, u.a., müssen bestimmte Symptome vorhanden sein, um die Diagnose sicher zu stellen. 

 

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7. ME/CFS ist eine körperliche Krankheit

Depressionen und andere psychische Erkrankungen können als Folge auftreten, wie auch bei anderen schweren Krankheiten. Aber sie sind faktisch nicht die Ursache. Durch die lange Leidenszeit, der verminderten Lebensqualität und der fehlenden Anerkennung ist bei dieser Erkrankung die Suizidrate deutlich erhöht.

 

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8. Nur 10-15% der Fälle werden tatsächlich diagnostiziert

Einer Studie des Institut of Medicine aus den USA zufolge, bleibt der Großteil der Erkrankten unerkannt. Die Ursachen dafür liegen in der mangelhaften medizinischen Ausbildung. Die wechselhaften und sehr vielfältigen Symptome verleiten zu falschen Schlüssen und fehlerhaften Diagnosen.

 

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9. Die meisten Ärzte kennen die Krankheit nicht

Betroffene berichten reihenweise über falsche, durch unkundige Ärzte attestierte Diagnosen. Daraus ergeben sich oberflächliche und schädliche Behandlung. Erst 2019 wurde ME/CFS im Pschyrembel, einem Standardlexikon der Medizin, aufgenommen. Bisher wird die Krankheit trotz ihrer Häufigkeit nicht in der Ausbildung im deutschen Gesundheitswesen behandelt. Im ICD-Code ist die Erkrankung allerdings seit 1969 unter G93.3 eingetragen. 

 

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10. Mediziner könnten helfen

Auch wenn die Krankheit noch nicht geheilt werden kann, gibt es mögliche Unterstützung. Bei den Symptomen kann man medikamentös helfen, die Ernährung ist anpassbar und Nahrungsergänzungsmittel können in gewissen Fällen Linderung verschaffen. Leider werden solche Hilfen von den Krankenkassen nicht finanziert und müssen von den Betroffenen selbst getragen werden.

 

 

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11. Staatliche und medizinische Unterstützung sind sehr mangelhaft

Da es wenige Spezialisten für die Krankheit gibt, ist es sehr schwer, eine korrekte Diagnose und dauerhafte finanzielle Unterstützung zu erhalten. Oft wird der Grad der Behinderung unsachlich gering eingestuft und die Bewilligung eines Rentenantrages mit fehlerhaften Gutachten erschwert.

 

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12. Die Namensgebungen sind unzureichend

Derzeitige Begriffe sind ME (myalgische Encephalomyelitis), CFS (Chronic Fatigue Syndrom) und SEID (Systemic Exertion Intolerance Disease). Mit keinem der sperrigen Namen ist man bisher zufrieden. Die Bezeichnung ME/CFS wird mehr und mehr verwendet, auch wenn der darin enthaltene Begriff "Fatigue", übersetzt mit Müdigkeit, ein sehr diffamierendes Bild darstellt.

 

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13. Die meisten Erkrankten leben zurückgezogen

Durch die körperliche Einschränkung und den vielfältigen neurologischen Symptomen verlieren Betroffene Sozialkontakte, Arbeit, Familie, Freunde, Partner, uvm, und können oft Aktivitäten außer Haus nicht mehr nachgehen. Zumindest nicht in dem Ausmaß, wie vor der Erkrankung. Menschenansammlungen, Hektik, Stress und Lärm sind meist unerträgliche neurologische Belastungen, die die Erkrankung verschlechtern können. 25% sind gänzlich an Haus und Bett gefesselt.

 

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14. Arbeits- bzw. Schulunfähigkeit ist eine sehr häufige Folge

Durch diverse Symptome, wie Schwäche, Konzentrationsstörungen, Benommenheit uvm. ist es den meisten Betroffenen nicht mehr möglich, einem regulären Beruf, Ausbildung oder Alltag (Einkauf, Hausputz) nachzugehen. Schätzungsweise 40% der Betroffenen sind dennoch erwerbstätig und riskieren damit eine stetige Verschlechterung ihres Zustandsbildes. Existenzielle Bedrohung ist häufig die Folge. Das bedeutet enormen Leidensdruck.

 

 

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15. Andere Länder sind fortschrittlicher

In Ausbildung, Anerkennung, Versorgung und Forschung sind die meisten Industrieländer Deutschland voraus. Insbesondere in der Versorgung herrschen gravierende Mängel. Außerhalb Europas ist man zum Teil sehr viel weiter bei Anerkennung und diversen Therapieformen, speziell in Australien. Durch die fehlende finanzielle Unterstützung in der Forschung bestehen die Versorgungsmängel weltweit weiter.

 

 


Ursprungstext: Armin Kirstein, Verbesserungen durch Daniela Kühnl, Saskia Körner, Franz Strasser und vielen aus der ME-Community. Piktogramme von Ralf Möller.

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ME / CFS einfach erklärt © 2021 by Armin Kirstein is licensed under CC BY-NC-ND 4.0

 

Quellen: 

Wikipedia   National Health Service   Pschyrembel   Charite, für Ärzte   CFS / Harrisons innere Medizin   Praktische Empfehlungen Ärzteblatt Sachsen