MY|ALGISCHE  ENZEPHALO|MYEL|ITIS 

"Entzündung des Gehirns und Rückenmarks mit Muskelbeteiligung“


ME/CFS steht für Myalgische Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome und ist eine komplexe und oft schwerwiegende neuroimmunologische Multisystemerkrankung mit vielen Symptomen und kann nicht einfach auf Müdigkeit und Erschöpfung reduziert werden.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) klassifiziert ME/CFS seit 1969 mit dem ICD-Schlüssel G93.3 als neurologische Erkrankung.

ME/CFS ist insbesondere durch das Leitsymptom der Symptomverschlimmerung nach Anstrengung - Post-exertional Malaise (PEM) - gekennzeichnet, hinzu kommen verschiedene Symptome wie eine schwere und anhaltende Fatigue, Schmerzen, Schlafstörungen und kognitive Störungen. 

Hier geht's zu den Symptomen von ME/CFS. 

Eine, der wenigen Möglichkeiten, die mit der PEM verbundene Abwärtsspirale so gut wie möglich aufzuhalten, ist das Energiemanagment, auch besser bekannt unter dem Begriff "Pacing".

Hauptquellen:


1. Die Namensgebungen sind unzureichend:

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Die meistverwendeten Bezeichnungen sind ME (Myalgische Encephalomyelitis), CFS (Chronic Fatigue Syndrom) und SEID (Systemic Exertion Intolerance Disease).

In den letzten Jahren setzte sich unter einigen Wissenschaftlern und Ärzten, die ME/CFS biomedizinisch erforschen, der Hybridbegriff ME/CFS durch.

Mit keinem dieser sperrigen Namen ist man allerdings bisher zufrieden. 

Zusätzlich stellt der enthaltene Begriff "Fatigue", übersetzt mit "Müdigkeit", ein sehr diffamierendes Bild dar.  


2. Präpandemischer Stand: ca. 400.000 ME/CFS Erkrankte in Deutschland /

Stand 2021: ca. 500.000 ME/CFS Erkrankte in Deutschland:

Logo Anzahl Erkrankte

Die Anzahl der Behandlungsfälle mit Diagnose G93.3 nach ICD 10-GM lag in den präpandemischen Jahren 2018 und 2019 zwischen 350.000 und 400.000.

Ein Anstieg auf knapp unter 500.000 Patienten deutschlandweit für das Jahr 2021 konnte ebenfalls beobachtet werden.

Quelle: Öffentliche Anhörung im Ausschuss für Gesundheit des Dt. Bundestages am 19. April 2023

Unter Berücksichtigung der neu hinzugekommenden Post-Covid und Post-Vac-Syndrom Betroffenen, die ME/CFS entwickeln können, schätzen WIR die Anzahl der ME/CFS Erkrankten in Deutschland inzwischen auf ca. 1,0-1,5 Millionen (Stand 2023).  


3. PEM - Post-Exertional Malaise - die Symptomverschlimmerung nach Anstrengung ist das Leitsymptom:

PEM kann sofort nach einer ausgeführten Aktivität (körperlich / kognitiv / emotional) aber auch kurzfristig oder langfristig, d.h. ca. 12 bis 48 Stunden später auftreten.

PEM kann für mehrere Stunden, Tage, Wochen aber auch Monate anhalten. Im schlimmsten Fall kann es zu einer dauerhaften Zustandsverschlechterung führen. 

PEM ist eine Verschlimmerung einiger oder aller ME/CFS-Symptome einer Person, die nach körperlicher, kognitiver oder emotionaler Anstrengung auftritt und zu einer Verringerung der Funktionsfähigkeit führt.

PEM kann zusätzlich zu Fatigue und Funktionsbeeinträchtigung, zu grippeähnlichen Symptomen, Schmerzen, kognitive Dysfunktion, Schwindel, Geräuschempfindlichkeit, Schlafstörungen uvm. führen.

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Um eine grobe Kategorisierung der Schwere zu ermöglichen, wird meist die Bell-Skala herangezogen.

Quelle: Charité Bell-Score 1995

Schweregrade bei ME/CFS sind "mild", "moderat", "schwer/severe" und "sehr schwer/very severe"

Quelle: Schweregrade - Informationen über ME (me-information.de) 


4. Erkrankte vergleichen ME/CFS oft mit einem defekten Akku:

Logo Akku

Die Analogie, die ME/CFS mit einem kaputten Akku vergleicht, wird oft verwendet, um die Erschöpfung und Energieprobleme, die bei dieser Erkrankung auftreten, zu veranschaulichen.

Ähnlich wie ein Akku, der nicht richtig aufgeladen wird, leiden Menschen mit ME/CFS unter anhaltender und schwerwiegender Erschöpfung, die durch Ruhe oder Schlaf nicht vollständig behoben wird.

Dieser Vergleich soll verdeutlichen, dass ME/CFS-Betroffene ihre Energie nicht wie gesunde Menschen speichern und nutzen können, was zu einer eingeschränkten Lebensqualität führen kann

Die Analogie mit dem "kaputten Akku" soll lediglich eine vereinfachte Darstellung sein und soll keinesfalls die Schwere oder Komplexität der Krankheit herunterspielen.


5. Die Krankheit tritt in unterschiedlichen Schweregraden auf:

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Durch die körperliche Einschränkung und den vielfältigen neurologischen/ kognitiven Symptomen verlieren Betroffene oft ihre Sozialkontakte, ihre Arbeit, ihre Familie, ihre Freunde, ihren Partner bzw. ihre Parnerin, uvm.

Die meisten schwerst Erkrankten können oft Aktivitäten außer Haus nicht mehr nachgehen. Zumindest nicht in dem Ausmaß, wie vor der Erkrankung.

Auch Menschenansammlungen, Hektik, Stress und Lärm sind meist unerträgliche neurologische Belastungen, die die Erkrankung verschlechtern können.


6. Schwer erkrankte Betroffene leben oft zurückgezogen und sind teilweise sogar ganz ans Haus gebunden:

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Als einen ersten Schritt für die Entwicklung von Biomarkern für den klinischen Gebrauch wurde eine Datenbank der aktiven ME/CFS Biomarkerforschung in Europa eingerichtet, das sogenannte ME/CFS EUROMENE Biomarker Landscape Projekt.

Darin wurden Anzahl und Art der Studien nach 4 Kategorien ausgewertet:

  • 1) immunologisch (z. B. Autoantikörper, Zytokine),
  • 2) infektionsbezogen,
  • 3) metabolisch (z. B. mitochondriale Dysfunktion) und
  • 4) neurologisch (z. B. Neurotransmitterregulation).

Das Projekt kommt zu dem Schluss, dass unterschiedliche Falldefinitionen, geringe Fallzahlen, das Fehlen von Kontrollgruppen und von Validierungsstudien sowie möglicherweise heterogene Subgruppen mögliche Gründe dafür sind, dass noch keine diagnostischen Biomarker identifiziert werden konnten.

Quelle: Bundesgesundheitsministerium (Seite 22)


7. ME/CFS ist eine körperliche Erkrankung - KEINE psychische! Trotzdem gibt es (noch) keine bekannten Biomarker zur Diagnose:

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Auf Anstrengung jeglicher Art reagiert der Körper, manchmal auch zeitlich verzögert, mit deutlicher Verschlechterung der Beschwerden/ Symptome. Daher kann eine Aktivierungsstherapie, im Gegensatz zu anderen Erkrankungen, sehr schädlich sein.

Weitere Symptome sind

  • starke Erschöpfung (z.B. Fatigue),
  • Neurologische und kognitive Symptome (z.B. Brainfog),
  • Kardiologische Symptome (z.B. Orthostatische Intoleranz),
  • Muskuläre Symptome (z.B. Muskelschmerzen),
  • Schlafstörungen (z.B. nichterholsamer Schlaf),
  • Immunologische Symptome (z.B. Erkältungssymptome),
  • Gastroenterologische Symptome (z.B. Reizdarm),
  • Urologische Symptome (z.B. Reizblase),
  • Pulmonale Symptome (z.B. Kurzatmigkeit)
  • uvm.

Detaillierte Erklärungen der Symptome hier.


8. ME/CFS ist (noch) nicht heilbar:

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Es sind weder Medikamente noch Therapien bekannt, die eine vollständige Genesung ermöglichen.

Es sind wenige einzelne Fälle bekannt, in denen sich der Zustand von Erkrankten stark verbessert hat, sogenannte "Recovery"-Geschichten.

Die wichtigste Therapiemethode um nicht in einen sogenannten CRASH (Zustand extremster Erschöpfung über längere Zeit) zu fallen, ist das PACING.

Detallierte Erklärung Pacing von Schweizerische Gesellschaft für ME&CFS.

Dabei achtet man sorgsam auf die Einhaltung der zur Verfügung stehenden Energiereserven, der sogenannten individuellen "Baseline".

Detaillierte Therapiemöglichkeiten hier


9. Die meisten Ärzte kennen die Krankheit ME/CFS nicht:

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Betroffene berichten reihenweise über falsche, durch unkundige Ärzte attestierte Diagnosen. Daraus ergeben sich unter anderem nur oberflächliche aber auch schädliche Behandlungen.

Erst 2019 wurde ME/CFS im Pschyrembel, einem Standardlexikon der Medizin, aufgenommen. Bisher wird die Krankheit trotz ihrer Häufigkeit nicht in der Ausbildung im deutschen Gesundheitswesen behandelt. 


10. Diagnosemöglichkeiten - nur ca. 10-15% der Fälle werden tatsächlich diagnostiziert:

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Einer Studie des Institut of Medicine aus den USA von 2015 zufolge, bleibt der Großteil der Erkrankten unerkannt. Die Ursachen dafür liegen in der mangelhaften medizinischen Ausbildung. Die wechselhaften und sehr vielfältigen Symptome verleiten zu falschen Schlüssen und fehlerhaften Diagnosen.

Quelle: MECFS_KeyFacts.pdf

Nähere Information bezüglich Diagnsotik hier.

Druch fehlende klare Diagnosemöglichkeiten, können bei einigen Betroffene Depressionen und andere psychische Erkrankungen als Folge auftreten.

Durch die lange Leidenszeit, der verminderten Lebensqualität und der fehlenden Anerkennung, ist allerdings bei dieser Erkrankung die Suizidrate deutlich erhöht.


11. Obwohl ME/CFS bereits 1969 von der WHO in die ICD aufgenommen und als neurologische Krankheit klassifiziert wurde, ist die Ursache nach wie vor nicht geklärt:

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Die in der Studie von Chu et al. von 150 ausgewerteten ME/CFS-Patientinnen und -Patienten (Diagnose nach den Fukuda-Kriterien mit 98% PEM) am häufigsten berichteten Ereignisse (Ursachen), die um den Krankheitsausbruch herum auftraten, waren

  • (64%) Infektionskrankheiten, u.a. Covid19, Pfeiffersches Drüsenfieber, EBV, HHV6, Staphylokokken,
  • (39%, primär familiär oder beruflich) Stress oder einschneidende Erlebnisse,
  • (20%) Exposition mit Umweltgiften, wobei Schimmel die häufigste Antwort war.

 Quelle: Bundesgesundheitsministerium (Seite 21)

Etwas neuere Studien weisen darauf hin, dass ME/CFS u.a. eine mögliche Autoimmunerkrankung sein könnte und/ oder auch durch eine schwere Störung des Energiestoffwechsels verursacht werden könnte.

Quellen:


12. Mediziner und Krankenkassen könnten helfen. Staatliche und medizinische Unterstützung sind sehr mangelhaft:

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Dadurch, dass es wenige Spezialisten für diese Erkrankung gibt, ist es sehr schwer, eine korrekte Diagnose und somit eine dauerhafte finanzielle Unterstützung zu erhalten. 

Auch wenn die Krankheit noch nicht geheilt werden kann, gibt es Möglichkeiten Erkrankte zu unterstützen. Bei den Symptomen kann man zum Beispiel medikamentös helfen, die Ernährung ist anpassen, aber auch Nahrungsergänzungsmittel können in gewissen Fällen Linderung verschaffen.

Leider werden solche Hilfen von den Krankenkassen nicht finanziert und müssen von den Betroffenen selbst getragen werden.

Sehr oft wird der Grad der Behinderung unsachlich gering eingestuft und die Bewilligung eines Rentenantrages mit fehlerhaften Gutachten erschwert.


13. Arbeits- bzw. Schulunfähigkeit ist eine sehr häufige Folge:

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Durch diverse Symptome, wie starke Erschöpfung, schwere Konzentrationsstörungen, Schmerzen uvm. ist es den meisten Betroffenen nicht mehr möglich, eine Ausbildung zu machen oder einem regulären Beruf nachzugehen.

Die meisten Betroffene haben große Problem ihren Alltag (z.B. Einkauf, Hausputz) zu stemmen. Schwer und sehr schwer Betroffene können nicht mal mehr z.B. alleine ihre Zähne putzen, weil ihnen schlichtweg die nötige Kraft dazu fehlt.

Schätzungsweise 40% der Betroffenen sind wegen fehlenden finanziellen Unterstützungen trotzdem weiterhin erwerbstätig und riskieren damit eine stetige Verschlechterung der Erkrankung. Existenzielle Zukunftsängste sind häufig die Folge und dies bedeutet zusätzlichen enormen Leidensdruck. 


14. Andere Länder sind meistens fortschrittlicher:

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In Ausbildung, Anerkennung, Versorgung und Forschung sind die meisten Industrieländer Deutschland voraus. Insbesondere in der Versorgung herrschen gravierende Mängel.

Außerhalb Europas ist man zum Teil etwas weiter bei Anerkennung und diversen Therapieformen, speziell in Australien.

Durch die fehlende finanzielle Unterstützung in der Forschung bestehen die Versorgungsmängel weltweit weiter.


Weitere Quellen: 

Wikipedia

National Health Service

Charite, für Ärzte

CFS / Harrisons innere Medizin 


Ursprungstext: Armin Kirstein

Verbesserungen durch; Melanie Haberbosch, Daniela Kühnl, Saskia Körner, Franz Strasser und vielen aus der ME-Community. Piktogramme von Ralf Möller.

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ME / CFS einfach erklärt © 2021 by Armin Kirstein is licensed under CC BY-NC-ND 4.0