Symptome bei ME/CFS

Die Symptome von ME/CFS sind vielfältig. Ausmaß und Stärke der Beeinträchtigungen stellen sich bei jedem Patienten in unterschiedlicher Weise dar. Betroffene können bis zu 70 Symptome gleichzeitig haben.

Vor ME/CFS haben wir jeden Tag viel geleistet. Das Meeting vorbereitet, dem Chef die Präsentation erstellt, den Bauleiter bei der Bauberatung unterstützt. Im Leben gestanden. Berufliches und familiäres gewuppt. Es war selbstverständlich. Normal. Wir schaffen das. Und unser Ehrgeiz: Rechnungen unbedingt noch an dem Tag schreiben, die Anzeige für die Zeitung vorbereiten, bevor der Vertriebsleiter danach fragt, trotz spätem Meeting, den Kuchen für die KiTa selbst backen. Dieser Ehrgeiz ist nicht einfach weg, nur weil man ME/CFS hat und der Körper streikt. Wir wollen körperlich und geistig aktiv sein, können aber nicht mehr.

Für Betroffene ist es sehr wichtig, ihre Grenzen zu kennen und zu versuchen diese einzuhalten. Hilfreich ist es auch, einen Überblick über die Symptomatik zu haben und wie sich diese (beispielsweise nach Belastung) verändert. Hierzu kann ein Symptomtagebuch von Vorteil sein. Hier könnt ihr ein Symptomtagebuch herunterladen. (Quelle: ME CFS and me) 

Die Übersicht wurde von zahlreichen Betroffenen erstellt, ergänzt durch Recherchen aus Fachliteratur.

Diese Seite wird von ehrenamtlichen Betroffenen betreut und gestaltet. Wir sind keine Ärzte bzw. medizinisches Fachpersonal. Eine Gewähr auf Vollständigkeit und Richtigkeit übernehmen wir nicht.


Leitsymptom

Leitsymptom ist die PEM (Postexertionale Malaise) oder PENE (Post Exertional neuroimmune Exhaustion).

Einfach formuliert: Bereits nach sehr geringer körperlicher und/oder geistiger Tätigkeit, zeigt sich eine ausgeprägte Erschöpfung sowie eine Verschlimmerung praktisch aller Beschwerden.

Erklärung von PEM der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS: Post-Exertional Malaise: Leitsymptom von ME/CFS

PEMPENE


Neurologische und kognitive Symptome

Im Kopf ist nichts mehr, wie es war. Oft nur unendlich viel Nebel. Brain-Fog.

Im Leben vor ME/CFS waren Betroffene in den verschiedensten Berufen erfolgreich und sportlich aktiv. Und jetzt? Das einfachste Wort fällt ihnen nicht mehr ein. Wie wird es geschrieben? Mehr wie eine Seite lesen, schnelle Bildsequenzen in einem Film, lange Unterhaltungen, hohe Geräuschkulissen, grelles Licht überreizen die Sinne und erschöpfen den Geist.

Der Termin beim Arzt, und die Frage, was man dort eigentlich wollte? Das Essen im Ofen und eine Stunde später feststellen, dass man ihn gar nicht angestellt hat.

Zu erkennen, dass man körperlich nicht mehr aktiv sein kann, wie früher, zusätzlich kognitive Schwierigkeiten, die den Alltag einschränken, belastet viele Betroffene sehr.

Neurologisch kognitiv


Kardiologische Symptome

Beschwerden wie Herzrasen, Schwindel, Benommenheit und Puls- und Blutdruckschwankungen treten beim Wechsel aus der liegenden Position in die aufrechte Körperlage auf.

Dadurch fällt es ME/CFS-Patienten schwer, längere Zeit zu stehen oder zu sitzen. Die tägliche Dusche oder sich eine Mahlzeit zuzubereiten kann für viele Betroffenen zur Herausforderung werden. Entsprechende Hilfsmittel wie z.B. ein Duschstuhl, werden oft von den Patienten selbst finanziert, da sie keine entsprechenden Verordnungen von den Ärzten bekommen.

Erklärung über Orthostatische Intoleranz der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS: Orthostatische Intoleranz: Fehlregulation des Kreislaufs bei ME/CFS

Kardiologisch


Muskuläre Symptome

Nach intensiver, sportlicher Aktivität ein Muskelkater, während des Sports ein Krampf, die Gelenke schmerzen danach. Selbst aktive Sportler bleiben nicht immer davon verschont. Nach einer Regenerationsphase ist der Spuk vorbei. Wer schon einmal einen Muskelkrampf oder ordentlichen Muskelkater hatte, weiß wie schmerzhaft das sein kann.

Viele ME/CFS-Patienten leben dauerhaft mit dem Gefühl eines Muskelkaters und Gliederschmerzen, die sich anfühlen, wie bei einer schweren Grippe. Oft sind die Beschwerden so stark, dass sie kaum laufen können und auf Hilfsmittel wie Rollator oder einen Rollstuhl angewiesen sind.

Muskulär


Psychiatrische Symptome

ME/CFS ist keine psychische Erkrankung. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) klassifiziert ME/CFS seit 1969 mit dem ICD-Schlüssel G93.3 als neurologische Erkrankung.

Die meisten Ärzte diagnostizieren fälschlicherweise bei Patienten mit ME/CFS -trotz der bestehenden Klassifizierung- nach wie vor eine psychosomatische und/oder depressive Phase. Da es ME/CFS-Erkrankten wie Menschen mit einer Depression an Energie fehlt, sowie das fehlende Wissen der Behandler, scheint eine Depression, Burn-out o.ä. als vermeintlich gesichert.

Der wichtige Unterschied zur Depression: ME/CFS-Patienten wollen körperlich und geistig aktiv sein, können es auf Grund der fehlenden Energie nicht. Empfehlungen, die depressiven Menschen aus der Lethargie helfen, sind schädlich für ME/CFS-Patienten. Sport, Aktivität jeder Art verschlimmern die Symptome. Auch Antidepressiva helfen den Betroffenen in der Regel nicht.

Dennoch können Depressionen und andere psychische Erkrankungen als Folge auftreten, wie bei anderen schweren Krankheiten. Aber sie sind faktisch nicht die Ursache.

Mehr zum Thema findet ihr hier: Warum ME/CFS keine psychische Erkrankung ist

Psychiatrisch


Schlafstörungen

Warum ist der Schlaf bei ME/CFS-Erkrankten nicht erholsam?

Unser Nervensystem ist sehr komplex. In unserem Gehirn sind zwei Gegenspieler aktiv: Sympathikus (verantwortlich für Aktivität) und Parasympathikus (verantwortlich für Ruhe und Regeneration). Das System arbeitet bei gesunden Menschen in einem Gleichgewicht. Bei ME/CFS-Patienten ist der Sympathikus dauerhaft aktiv und lässt den Parasympathikus nicht zum Zug kommen.

Unser Nervensystem, wir nennen es einfach „Bio-Roboter“, hat sich wie ein PC aufgehängt. Ursachen sind z.B. ein Virusinfekt, Krankheit, Trauma, Belastung. Die Flexibilität, das Hoch- und Runterfahren, ist massiv irritiert und funktioniert nicht mehr.

Der Regulationsmechanismus, das Hand-in-Hand-Arbeiten, zwischen Anspannung und Entspannung, die Stressregulation des „Bio-Roboters“ dreht die ganze Zeit „am Rad“. Der Stoffwechselvorgang zwischen Anspannung und Entspannung, Abgeben und Aufnehmen, Entgiften und Nähren, funktioniert nicht mehr.

Mehr zum Thema Schlafstörungen findet ihr hier: „Durch den Wolf gedreht“ – Warum Schlaf bei ME/CFS nicht erholsam ist

Schlafstörungen


Thermoregulation

Bei über 30 Grad mit Jogginganzug und Decke auf dem Sofa liegen, im schlimmsten Fall mit Schüttelfrost, ohne einen Infekt oder eine „Sommergrippe“ zu haben. An kühlen Tagen Hitzewallungen, dass der Schweiß von der Stirn fließt, wie viele Frauen es von den Wechseljahren kennen.

Bei vielen Betroffenen ist die körpereigene Temperaturregulation gestört. Eine konstante Körpertemperatur ist für den reibungslosen Ablauf aller Stoffwechselprozesse wichtig. Folge: weitere Beschwerden.

Thermoregulation


Immunologische Symptome

Betroffene empfinden ein starkes Krankheitsgefühl. Der ganze Körper fühlt sich an, als ob ein Infekt in Anmarsch ist.

Im ungünstigen Fall sind Symptome wie z. B. schmerzhafte und geschwollene Lymphknoten, Halsschmerzen, Fiebergefühl, dauerhaft so stark wie bei einer starken Grippe, ohne erkrankt zu sein.

Im Allgemeinen ist die Anfälligkeit für Atemwegsinfekte erhöht. Bereits ein kleiner Schnupfen, kann ME/CFS-Erkrankte tagelang außer Gefecht setzen. Die Erholungsphasen sind deutlich länger als bei gesunden Menschen.

Weitere immunologische Symptome können sein:

- Ausgeprägte Kopf-, Muskel- und Gelenkschmerzen

- Wundheilungsstörungen/Neurodermitis/Hautausschläge

Bedingt durch Covid-19 und den vermehrten Gebrauch von Desinfektionsmitteln, sind offene Hände und schmerzende Hautflächen unangenehme Begleiterscheinungen, die sich durch Unverträglichkeiten von Chemikalien/Medikamente/Kosmetika usw. oft schwer behandeln lassen.

 Die Unverträglichkeiten erschweren den Heilungsprozess von Verletzungen, die schlecht heilen oder Wunden sich immer wieder öffnen.

Immunologisch


Gastroenterologische Symptome

Bei vielen Patienten entwickeln sich gastroenterologischen Beschwerden. Zum Beispiel Nahrungsmittelunverträglichkeiten wie Histaminintoleranz. Das Fatale ist, dass Hinweise darauf von vielen Ärzten als "Modekrankheit" abgetan wird, die es angeblich nicht gibt. Die Diagnose ist wie bei ME/CFS nur unter Ausschlussverfahren der entsprechenden Lebensmittel und viel Disziplin möglich.

Werden Unverträglichkeiten nicht erkannt, kann es je nach Schwere zu Symptomen wie Schwindel, Verdauungsbeschwerden, Reizdarm, Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Bluthochdruck, Atemnot bis zu Flashs mit Einlieferung in die Notaufnahme kommen.

Das Erkennen einer möglichen Unverträglichkeit, Stressminimierung und Anpassung der Ernährung könnte bei vielen Betroffenen unnötige Beschwerden verhindern.

Oben genannte Symptome können sich auch ohne Lebensmittelintoleranz im Verlauf der Erkrankung entwickeln.

Gastroenterologisch


Pulmonale Symptome

Mal eben ins Bad, schnell die Spülmaschine ausräumen, der kurze Weg zum Postkasten, die Wäsche aufhängen.

Was früher einfach ging, so normal, leicht, ohne darüber nachzudenken, ohne zu spüren, welche Leistung die Lunge bei diesen kleinen Tätigkeiten vollbringt.

Atmen ist selbstverständlich und wird nicht bewusst wahrgenommen. Wir tun es einfach.

Nicht so Menschen, die pulmonale Symptome haben. Sie nehmen ihre Atmung neu und bewusst wahr, je nach Schweregrad:

Allgemeine Probleme mit der Atmung, wie ein Walross schnaufen bei den gleichen Tätigkeiten, schnappen nach Luft, fast wie ein Ertrinkender,

Symptome, die beängstigend werden können, wenn sie plötzlich auftauchen und eine zusätzliche emotionale Belastung sind. 

Pulmonal


Urologische Symptome

Viele Betroffene leiden durch die Fehlfunktion des Nervensystems unter urologischen Symptomen.

Für jeden Menschen sind Probleme mit der Kontinenz belastend. Umso mehr, wenn diese, wie bei ME/CFS Patienten, bereits in sehr jungen Jahren auftreten können.

Einschränkungen wie Blasenschwäche mindern die Lebensqualität zusätzlich und schränken die (noch) vorhandene Mobilität weiter ein.

Der Bummel durch die Stadt, immer verbunden mit der Suche nach der nächsten öffentlichen Toilette, die es kaum noch gibt und deren Hygienezustand meist unzumutbar ist.

Viele Patienten berichten von Schmerzen beim Wasserlassen und haben, trotz Inkontinenz, nachts Störungen bei der Blasenentleerung.

Urologisch