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Freitag, 23 Juni 2023 17:50

Ein Lied über das Leben mit ME/CFS

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Originalbeitrag wurde von unserem Mitglied Bonny geschrieben:

So, jetzt ist es raus! Ich habe völlig unerwartet jemanden gefunden, der sich bereit erklärt hat - sofern nichts dazwischenkommt oder dagegenspricht - meinen "kleinen Protestsong" zu singen.

Genauer gesagt, ihn bei der für die Gesundheitsministerkonferenz am 6. Juli in Friedrichshafen geplanten ME/CFS-Aktion vorzutragen.

Leider habe ich noch nichts wieder von der Person gehört, die Organisatoren der Aktion werden ja eine Menge zu tun haben, deshalb will ich da jetzt nicht mit Fragen nerven. Bin aber schon ziemlich neugierig, ob das klappt, weil ich sehr hoffe, dass so vielleicht etwas mehr Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt werden kann. Falls sich jemand für meinen Text interessiert, möchte ich ihn Euch hier gerne vorstellen.

NICHT ZU FASSEN

Du hast es schon geahnt und irgendwann war es dann klar:
dass nichts in deinem Leben mehr so ist wie es mal war.
Selbst dein starker Wille bringt Dich plötzlich nicht mehr weit,
dein Körper und dein Geist, sie scheinen vollständig entzweit.

 

Ständig musst du dir nun eine Menge Ruhe gönnen.
Außerdem scheinst du jetzt nichts mehr aushalten zu können.
Kein Reden und kein Lachen und kein Fernseh'n und kein Bier.
Kein "Draußen in der Sonne" mehr - und du verzweifelst schier.

Beim Arzt, denkst du, wird man mir doch ganz sicher Aufschluss geben.
Dann hilft man mir und ich hab wieder was von meinem Leben.
Es ist doch nicht zu fassen, das kann überhaupt nicht sein!
Man sagt dir einfach ins Gesicht: "Das bilden Sie sich ein."

Du bist entsetzt und hilflos, diese Härte bringt dich um.
Nur fehlt die Kraft, das auch zu sagen, darum bleibst du stumm.
Voller Angst fragst du dich was wohl noch mit dir passiert.
Wofür sich aber niemand im Geringsten interessiert.

Nicht Schmerzen und nicht Schwindel und kein wackeliger Gang,
wecken bei der Ärztin oder bei dem Arzt den Drang
die Ursache zu finden für die stete Übelkeit,
für Herzrasen, Schlafstörungen und Krämpfe jederzeit.

Du kannst dich also nur wieder zurück nach Haus begeben,
kannst nur versuchen, mit dem Bisschen, was von deinem Leben
die Krankheit dir noch ließ, jetzt irgendwie zurechtzukommen.
Was sie dir noch nicht nahm hat dir der Arztbesuch genommen.

Es gibt gar keine Krankheit, Dir gehts überhaupt nicht schlecht.
Der Arzt ist da ganz sicher und er hat doch schließlich Recht.
Reiß Dich doch mal zusammen, dann wird alles super geh'n,
die Schwierigkeiten sind gleich weg, das wirst Du dann schon seh'n.

Ob Du nun schwankst und taumelst, ob Du gar ohnmächtig wirst,
das spielt gar keine Rolle, weil Du Dich mächtig irrst,
wenn Du glaubst, dass Du zu schwach bist. Das ist nur Dein Kopf.
Mit Rennen, Ackern, Schuften packst Du das Problem beim Schopf.

Und dich treibts in den Wahnsinn, weil du ganz genau doch weißt,
dass es dich bei solchen Sachen von den Füßen reißt.
Warum macht jemand kranken Menschen so enormen Stress?
Man muss wohl sagen: Das gibts nur bei ME/CFS!

So lebst du denn als Hypochonder und als Simulant.
Mit Glück hat wenigstens deine Familie erkannt,
welchen Schaden dir ein fieses Schicksal zugefügt
und sie unterstützt dich, statt dass sie dich ständig rügt.

Der Ungerechtigkeit bist du dir vollständig bewusst,
du kannst nur nichts dagegen tun. Du hast zu dem Verlust,
den du erleidest, weil das Leben Dir so viel genommen,
"nur eben" noch ein paar Probleme mehr dazubekommen.

Beim Arzt - hast du gehofft - würdest du Unterstützung kriegen,
denn inzwischen musst du täglich viele Stunden liegen.
Klar machen diese Dinge unerträglich großen Stress.
In diesem Maß gibt's das wohl nur bei ME/CFS!

Nur etwas Gutes gibts in dieser Lage noch für dich,
lassen dich auch alle deine Freunde gerad' im Stich:
So endlos vielen Menschen gehts genauso schlimm wie dir,
Sie alle gemeinsam sind ein ziemlich großes "Wir".

Sind wir auch fast unsichtbar im öffentlichen Leben,
muss es trotzdem doch ein gleiches Recht für alle geben.
Ärztliche Versorgung, Beistand, Hilfe in der Not.
Menschenwürdige Behandlung, notfalls bis zum Tod.

Kein Nichtbetroff'ner scheint sich irgendwas dabei zu denken,
dass man uns ignoriert, anstatt auch uns Gehör zu schenken.
Das ist diskriminierend, von Mitleid keine Spur.
Verletzt jede Gerechtigkeit, ist Unmenschlichkeit pur.

Und solang' wir täglich solche Undinge erleben,
muss jeder, dem das noch gelingt, die Stimme laut erheben.
Bis man uns endlich hört und endlich nicht mehr übersieht.
So muss das bleiben bis es dann doch irgendwann geschieht!

Zwar machen diese Dinge uns entsetzlich großen Stress -
man hat nur einfach keine Wahl mit ME/CFS!

Gelesen 545 mal Letzte Änderung am Freitag, 23 Juni 2023 17:59
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