In Zusammenarbeit von einigen ME/CFS-Betroffenen und Selbsthilfegruppen aus Deutschland wurde eine Stellungnahme mit Lösungsvorschlägen zur Versorgungslage und Behandlungssituation bei ME/CFS ausgearbeitet. Die Anfrage kam vom Bayrischen Landesamt für Gesundheit.

adobe pdf icon logo png transparent    Hier geht's zum PDF Download:

Diese Stellungnahme wollen wir euch natürlich nicht vorenthalten. Da sie sehr ausführlich ist und einige so viel Text nicht lesen können, haben wir für euch das ganze etwas zusammengefasst.

Die Anfrage: “Da Sie die Standpunkte von Betroffenen in der Öffentlichkeit vertreten, möchten wir sehr gerne Ihre Sichtweise zur Versorgungslage und Behandlungssituation von Betroffenen mit umweltattribuierten Symptomkomplexen sowie ME/CFS kennen und Sie einbeziehen.”

 

Stellungnahme:

A Das Krankheitsbild ME/CFS wird kurz charakterisiert. Dabei wird auf folgende Punkte hingewiesen:

  1. Erschöpfung mit Zustandsverschlechterung nach Belastung
  2. Ursachen statt Symptome in den Mittelpunkt stellen
  3. Eine Summenerkrankung (ME/CFS als eine komplexe Multisystemerkrankung)
  4. Miserable Lebensqualität bei ME/CFS

 

B Die Versorgungslage und Behandlungssituation bei ME/CFS

  1. Wo sehen Sie aktuell Verbesserungsmöglichkeiten?
  • Anerkennung als eine komplexe, eigenständige Krankheit z.B. bei Rente, SGB, GdB
  • Finanzielle Anreize für die Ärzteschaft
  • Nötige Versorgung mit Medikamenten und Vitalstoffen, Finanzierung von Differenzialdiagnosen
  • Anerkennung der Klinischen Umweltmedizin und Funktionellen Medizin zur Behandlung & Zulassung als Kassenleistung der GKV
  • Ausbildung der niedergelassenen- und Klinikärzte zu ME/CFS
  • Landesweite Aufklärungskampagne
  • Interdisziplinäre Diagnostik mit Fokus auf Ursachen
  • Erarbeitung einer bewährten Stufendiagnostik
  • Ausarbeitung und Entwicklung von Therapieansätzen
  • Aufnahme in den Landesaktionsplan für Behinderung
  • Aufnahme bei den EUTB Stellen im Info-Pool
  • Abgrenzung mit psychischen Erkrankungen wie Depression
  • Ernstnehmen von Patienten

 

  1. Wo besteht in Ihren Augen dringend Handlungsbedarf?
  • Angebot für ein Übergreifendes medizinisches Case Management
  • Vermittlungsstellen (z.B. beim Landesamt für Gesundheit), bei Problemen mit Ämtern/Kassen o.ä.
  • Aufbau von Versorgungszentren und Spezialisierung von Krankenhäusern
  • Beachtung der Leitlinien
  • Vermittlung von Kenntnissen in Studium & Fortbildungen
  • Missverhältnis zwischen dem Bedarf und der Anzahl von erfahrenen Behandlern
  • Forschungsgelder für evidenzbasierte Studien
  • Zugang zu sozialen Hilfen
  • Versorgungsansprüche (Schwerbehinderung, Berufsunfähigkeit oder Erwerbsminderungsrente)
  • Finanzieller Mehrbedarf (Ernährung, behindertengerechte Wohnung, Diagnostik und Therapie)
  • Finanzierung von bisherigen IGeL Leistungen für erweiterte Diagnostik, Kostenübernahme der GKV für sinnvolle Therapien
  • Finanzierung von Vitalstoffen
  • Verbesserung der Versorgungslage in Bezug auf Diagnostik und Therapie
  • Telemedizin/Hausbesuche
  • Versorgung in Kliniken -> Anerkennung als Summationserkrankung
  • Aufnahme des Krankheitsbildes in das medizinische Studium
  • Schulung der Krankenkassen
  • Schulung der Erkrankten und Angehörigen
  • Aufklärung von Amtsärzte, Arbeitsamt, MDK, Kranken-/Pflegekassen, Rentenversicherungen usw.
  • Aufklärungsbroschüren für Ämter und Behörden
  • Aufklärung für Zahnärzte
  • Aufklärung im Zusammenhang mit Corona-Spätfolgen
  • Aufklärung von Begleiterkrankungen (POTS, MCAS)

 

  1. Welche konkreten Lösungsansätze sehen Sie als zielführend an, um die Behandlungs- und Versorgungsstrukturen zu stärken?
  • Schaffung von regionalen Behandlungszentren
  • Anerkennung und Einbindung der evaluierten Komplementärmedizin
  • Versorgung mit off-label-Medikamenten, Vitalstoffen und natürlichen Heilmitteln
  • Verbesserung der Aus- und Weiterbildung der niedergelassenen- und Klinikärzte, wohnortnahe Übernahme der Weiterbehandlung durch die Hausärzte
  • Schulung von Gutachtern
  • Finanzierung des erheblich erhöhten Gesprächs-, Diagnose- und Therapiebedarfs für Hausärzte
  • Volle Finanzierung der Differenzialdiagnostik
  • Versorgung der Betroffenen mit Reha
  • Struktureller Aufbau eines ME/CFS-Registers sowie einer Biobank
  • Anlegen einer anonymisierten Datenbank durch alle Haus- und Fachärzte
  • Anpassung des Pflegefragebogen für Anträge zur Pflegeversicherung

 

  1. Welche Anlaufstellen oder Maßnahmen haben sich nach Ihrer Ansicht bewährt?

Anlaufstellen

  • Charité Berlin, Immundefekt-Ambulanz
  • Spezialklinik Neukirchen, Rötz
  • Kinderpoliklinik der Technischen Universität München
  • Einzelne engagierte Ärzte, die personalisierte Differenzialdiagnostik und Ursachenmedizin betreiben
  • Spezielle Labore mit z.B. immunologischer, umwelt- oder funktionell-medizinischer Ausrichtung
  • Ganzheitliche Zahnärzte und Klinische Umweltzahnärzte
  • Zur Ausschluss-Diagnostik: Neurologie, Endokrinologie / Nuklearmedizin, Gastroenterologie, spezialisierte Allergologen

Maßnahmen

  • Wegen der Heterogenität der Patientengruppe bei den Ursachen gibt es keine one-size-fits-all Therapien
  • Therapiebausteine bei Schwerstbetroffenen
  • Chelat-Therapie
  • Ganzheitliche, personalisierte, multikausale und multifaktorielle Ansätze

 

  1. Welche Anlaufstellen oder Maßnahmen haben sich nach Ihrer Ansicht nicht bewährt?
  • Forschungseinrichtungen können keine Therapien leisten
  • Umweltmedizinische Stellen wie an der Universitätsklinik Augsburg, Hochschulambulanz Umweltmedizin UNIKA-T klären zu wenige Aspekte ab und bieten zu wenige Therapien
  • Die Diagnose ME/CFS (G93.3) ist dem Zufallsprinzip überlassen
  • Häufig falscher Weg: Psychotherapie oder Psychopharmaka

 

C Spezielles Thema Kinder

  • Ausbildung von Kinderärzte, Kinder-Psychosomatiker und Virologen
  • Schnelle Abklärung der Psychosomatik
  • Ärztliche und psychologische Unterstützung
  • Beratung und Aufklärung zum Krankheitsbild für Eltern
  • Aufklärung von Bezirksregierungen und Schulen und Unterstützung von Betroffenen
  • Freies Homeschooling für kranke Kinder bis zum Abitur, kostenfreie Online- Schuloptionen

 

D Modellbeispiele für Systemmedizinische Behandlungszentren im Ausland