Endlich spricht es jemand aus‼️ 

ℹ️ Die Kassenärztliche Vereinigung schätzt die Zahl nach der Pandemie auf rund 620.000. Aus meiner Sicht ist diese Zahl jedoch deutlich zu niedrig angesetzt. Die Dunkelziffer dürfte erheblich sein. Es ist zu befürchten, dass wir längst über eine Million Betroffene haben.

📌 Der Kölner Arzt Dr. Volker Brenn leitet ein medizinisches Versorgungszentrum, in dem ME/CFS ernst genommen wird. Er erklärt, was über die Krankheit bekannt ist – und was nicht.

📌 Im Jahr 1969 wurde ME/CFS als eigenständige Krankheitsentität klassifiziert. Dennoch blieb die Pathophysiologie (Anm. d. Red.: Lehre der Entstehung von Krankheiten) weitgehend unklar. Erst mit der COVID-19-Pandemie geriet das Thema erneut in den Fokus der Forschung – und das mit großer Dringlichkeit.

📌 Insbesondere die Arbeitsgruppe um Frau Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen an der Berliner Charité konnte in den vergangenen Jahren wichtige Fortschritte erzielen. Eine zentrale Hypothese ist, dass Autoantikörper gegen bestimmte Rezeptoren der Signalübertragung im autonomen Nervensystem die neuronale Kommunikation stören. Die Symptome könnten somit als Ausdruck einer gestörten neuroimmunologischen Regulation verstanden werden.

📌 Die Forschung steckt weiterhin in einem frühen Stadium. Die grundlegende Frage, warum bestimmte Menschen nach viralen Infekten – sei es Epstein-Barr, Influenza oder nun auch SARS-CoV-2 – ein chronisches Syndrom entwickeln, ist noch nicht abschließend geklärt. Was wir jedoch heute mit größerer Sicherheit sagen können als je zuvor:

➡️ ME/CFS ist eine schwerwiegende, biologisch begründbare Erkrankung – und keine psychosomatische Modeerscheinung.

📌 Long COVID bezeichnet per Definition eine fortbestehende oder protrahiert verlaufende Symptomatik im Anschluss an eine akute SARS-CoV-2-Infektion. Es handelt sich hierbei um eine verlängerte Rekonvaleszenz, bei der die Symptome der akuten Erkrankung nicht vollständig abklingen. Im Gegensatz dazu steht das Post-COVID-Syndrom, bei dem nach einer zunächst leichten COVID-Erkrankung mit vollständiger Genesung ein zeitlich versetzter Symptombeginn auftritt – oft mehrere Wochen später.

📌 Nicht nur Covid, sondern auch andere Viren oder atypische neurotoxische Bakterien, können ein solches Syndrom auslösen, welches entweder sehr der ME / CFS Erkrankung ähnelt, bzw. in diese übergeht.

📌 ME/CFS war über Jahrzehnte hinweg ein medizinisches Randthema, das in den klassischen Curricula von Studium und Facharztausbildung kaum vorkam. Es fehlten belastbare Biomarker, das Krankheitsbild war schwer einzuordnen, und die Symptome wirkten diffus – was dazu führte, dass Patienten häufig in psychosomatische Schubladen gesteckt wurden.

📌 Zudem ist es eine unbequeme Erkrankung: Sie widerspricht gängigen Vorstellungen von Krankheit, Heilung und Selbstverantwortung. Patienten, die über Jahre schwer krank, arbeitsunfähig und zugleich medizinisch nicht „greifbar“ sind, bringen viele Ärzte an die Grenze ihres Verständnisses – und leider allzu oft auch ihrer Geduld.

📌 Leider gibt es bislang keine ursächliche, zielgerichtete Behandlung für ME/CFS. Es werden multimodale Ansätze verfolgt: Unterstützung der Mitochondrienfunktion sowie des Nervensystems durch Vitamine, Aminosäuren und Antioxidantien, teils auch physikalische Therapien. Verfahren wie die Apherese – das Auswaschen möglicher Autoantikörper – wurden erprobt, konnten sich aber bislang nicht etablieren. Immunmodulierende Medikamente sind in Entwicklung, doch eine wirksame Therapie ist derzeit nicht in Sicht.

📌 Eine Methode wie das Intervall-Hypoxie-Hyperoxie-Training, deren Wirkmechanismus auf die Mitochondrien zielt und deren wissenschaftliche Bedeutung mit dem Medizin-Nobelpreis 2019 gewürdigt wurde, ist vielversprechend, aber noch nicht breit anerkannt. Die Kosten solcher multimodalen Therapien werden zudem von den gesetzlichen und auch den meisten privaten Krankenkassen meist nicht übernommen.

 

Quelle: Kölnische Rundschau